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Keine Kirche in Lissabon erzählt eine dramatischere Geschichte als São Domingos. Von den belebten Plätzen Rossio und Figueira aus lässt die ruhige Barockfassade kaum das außergewöhnliche Innere erahnen, das den Besucher erwartet. Wer eintritt, betritt einen der bewegendsten Sakralräume Europas: Eine Kirche, die ihre Wunden mit Würde trägt und in der brandgeschwärzte Säulen sowie rissige Steinwände bewusst als Monumente des Überlebens erhalten wurden.
Dies ist keine gewöhnliche Restaurierung. Als 1959 ein verheerendes Feuer die São Domingos völlig entkernte, zwei Feuerwehrleute das Leben kostete und jahrhundertealte vergoldete Kunstwerke vernichtete, traf die Stadt eine radikale Entscheidung. Anstatt die Kirche in ihrem alten Glanz wiederaufzubauen, entschied man sich dafür, die Narben zu bewahren. Das Ergebnis ist ein Ort, der irgendwo zwischen dem Heiligen und dem Geisterhaften schwebt – ein Ort, an dem terrakottafarbene Brandspuren wie abstrakte Fresken die Wände hochwandern und geborstene Pfeiler als Zeugen der Zerstörung verweilen.
Doch São Domingos war bereits lange vor 1959 eine Stätte der Resilienz. Diese Kirche wurde dreimal zerstört und wieder aufgebaut; sie überstand die Erdbeben von 1531 und 1755, diente als Ausgangspunkt für das schreckliche Massaker an den Lissaboner Juden im Jahr 1506 und fungierte als zeremonielle Bühne für die portugiesische Inquisition. Heute ist ihr Vorplatz nach einer tiefgreifenden Transformation zum Herzstück der afrikanischen Gemeinschaft Lissabons geworden. Damit wird eine Verbindung fortgesetzt, die 500 Jahre zurückreicht – bis zu den ersten afrikanischen Bruderschaften, die bereits innerhalb dieser Mauern für ihre Emanzipation kämpften.
Die Igreja de São Domingos heißt Besucher täglich von 07:00 bis 19:00 Uhr willkommen. Der Eintritt ist frei, was die Kirche für alle zugänglich macht. Gelegen am Largo de São Domingos im Stadtteil Baixa, befindet sich die Kirche nur wenige Schritte vom Rossio-Platz und dem Nationaltheater D. Maria II entfernt.
Messen finden montags bis freitags um 19:15 Uhr, samstags um 08:30 Uhr und 18:00 Uhr sowie sonntags um 12:00 Uhr und 18:00 Uhr statt. Besucher während der Gottesdienste werden gebeten, die Kirche leise zu betreten und im hinteren Bereich zu bleiben, sofern sie nicht am Gottesdienst teilnehmen.
Ein Besuch dauert in der Regel 20 bis 30 Minuten, wenngleich die emotionale Wirkung oft viel länger nachhallen kann. Die Kirche ist ebenerdig voll zugänglich, wobei das Hauptschiff einen unverstellten Blick auf die konservierten Brandschäden bietet.
1241: Von König Sancho II. als erste Dominikanerkirche Lissabons gegründet, entwickelte sie sich zum größten religiösen Gebäude der Stadt.
1506: Das Massaker von Lissabon nimmt hier seinen Anfang, als Dominikanermönche zur Gewalt gegen „Neuchristen“ (konvertierte Juden) anstacheln. Dies führt zu drei Tagen blutiger Ausschreitungen mit Hunderten oder gar Tausenden Toten.
1531: Das erste schwere Erdbeben beschädigt die mittelalterliche Struktur und macht umfangreiche Wiederaufbaumaßnahmen erforderlich.
1551: Die Bruderschaft Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz spaltet sich in zwei Zweige auf, wobei einer speziell für “schwarze Freigelassene und Sklaven” bestimmt ist, die für ihre Emanzipation kämpfen.
1748: Der königliche Architekt João Frederico Ludovice vollendet den prachtvollen Barockaltar, der wie durch ein Wunder alle zukünftigen Katastrophen überstehen sollte.
1755: Das große Erdbeben von Lissabon zerstört die Kirche fast vollständig; lediglich der Altar von Ludovice und die Sakristei bleiben erhalten.
1807: Nach 52 Jahren Wiederaufbau wird die Kirche im prunkvollen barock-manieristischen Stil neu eröffnet.
1959: Am 13. August bricht ein verheerendes Feuer aus, das von allen sieben Hügeln Lissabons aus sichtbar ist. 100 Feuerwehrfahrzeuge und sechs Stunden waren nötig, um den Brand unter Kontrolle zu bringen, wobei zwei Feuerwehrleute sterben und das Innere vollständig ausbrennt.
1994: Die Kirche wird nach einer radikalen Restaurierung wiedereröffnet, die die Brandschäden als bewussten Akt der Erinnerung bewahrt.
Der 13. August 1959 veränderte São Domingos für immer. Das Feuer, das an jenem Tag ausbrach, war so gewaltig, dass man es von allen sieben Hügeln Lissabons aus sehen konnte. Einhundert Feuerwehrfahrzeuge rückten gegen das Inferno aus, dessen Löscharbeiten mehr als sechs Stunden in Anspruch nahmen. Als sich der Rauch schließlich legte, hatten zwei tapfere Feuerwehrleute ihr Leben verloren. Das prächtige Kircheninnere mit seinen vergoldeten Holzschnitzereien und unbezahlbaren Gemälden war in Schutt und Asche gelegt worden.
35 Jahre lang blieb die Kirche eine ausgebrannte Hülle; ihre Zukunft war ungewiss. Als die Restaurierung schließlich begann, trafen Kirchenvertreter und Stadtverantwortliche eine beispiellose Entscheidung. Anstatt São Domingos in altem Glanz wiederaufzubauen, wollten sie die Brandschäden als solche erhalten. Keine frische Farbe sollte die versengten Wände überdecken, kein Putz den rissigen Stein verbergen. Die Brandspuren sollten bleiben und die Kirche in etwas völlig Neues verwandeln: einen heiligen Ort, der sich weigerte, seine Wunden zu verstecken.
Diese Wahl stellte São Domingos in eine Reihe mit einer weiteren berühmten Ruine Lissabons, dem Convento do Carmo, das seit dem Erdbeben von 1755 ohne Dach dasteht. Beide Gebäude dienen heute als kraftvolle Mahnmale gegen das Vergessen. Doch während das Carmo im Jahr 1755 erstarrt scheint, lebt São Domingos als aktives Gotteshaus weiter, in dem die Narben selbst heilig geworden sind.
Das Betreten von São Domingos fühlt sich an wie der Besuch einer lebendigen archäologischen Stätte. Der erste Eindruck ist überwältigend: Wände, deren Verfärbungen von Rußschwarz bis Brandorange reichen, erzeugen eine zufällige Farbpalette, die kein Künstler künstlich erschaffen könnte. Massive Steinsäulen weisen sichtbare Risse auf, wo die extreme Hitze den Kalkstein sprengte. Die Architektur selbst zeugt von Temperaturen, die Marmor zum Bersten brachten und Stein verformten.
Blickt man nach oben, erkennt man Stellen, an denen die Decke stabilisiert, aber nicht kosmetisch instand gesetzt wurde. Die neue Dachkonstruktion ist sichtlich modern und macht keinerlei Versuch, mit der ursprünglichen Architektur zu verschmelzen. Diese Ehrlichkeit erstreckt sich durch den gesamten Raum: Verstärkte Abschnitte sind offensichtlich, Sicherheitsergänzungen ungetarnt, und die Grenze zwischen Alt und Neu bleibt bewusst sichtbar.
Doch inmitten dieser bewussten Bewahrung der Schäden erstrahlen bestimmte Elemente in ungebrochenem Glanz. Der Hochaltar aus rotem Marmor, 1748 von João Frederico Ludovice entworfen, überstand sowohl das Erdbeben von 1755 als auch das Feuer von 1959. Dieses barocke Meisterwerk, das die Heilige Dreifaltigkeit darstellt, bildet das pulsierende Herz der Kirche. Sein Überleben zahlreicher Katastrophen verleiht seiner religiösen Bedeutung zusätzliche Tiefe.
Auch die erhaltene religiöse Kunst gewinnt in diesem Kontext an Eindringlichkeit. Statuen, denen Gliedmaßen durch das Feuer fehlen, verbleiben an ihrem Platz; ihre Beschädigungen sind nun Teil ihrer spirituellen Aussage. Vom Rauch gedunkelte Gemälde hängen neben Wänden, die ihre ganz eigene Geschichte des Überlebens erzählen. Sogar die modernen Ergänzungen, einschließlich der seit 1994 installierten zeitgenössischen Kunstwerke, treten in einen Dialog mit den Narben, anstatt sie zu kaschieren.
Lange vor dem Brand war São Domingos bereits von Tragödien gezeichnet. Im April 1506, in einer Zeit von Pest und Dürre, wurde die Kirche zum Schauplatz eines der düstersten Momente Portugals. Als ein “Neuchrist” (ein jüdischer Konvertit) anmerkte, dass ein vermeintliches Wunder am Altar lediglich eine Lichttäuschung sei, stachelten Dominikanermönche die Menge zur Gewalt an. Was folgte, war ein dreitägiger mörderischer Pogrom in den Straßen Lissabons, der hunderte oder möglicherweise tausende jüdische Leben forderte.
Die unrühmliche Rolle der Kirche setzte sich über die Jahrhunderte der portugiesischen Inquisition fort. São Domingos bildete zusammen mit dem Inquisitionspalast (heute Standort des Nationaltheaters) und dem Rossio-Platz, auf dem die Hinrichtungen stattfanden, ein geografisches “Dreieck des Schreckens”. Im Inneren von São Domingos wurden die Urteile der Verurteilten in aufwendigen Zeremonien, den sogenannten Autos-da-fé, verlesen, woraufhin die Opfer auf dem angrenzenden Platz hingerichtet wurden.
Heute erinnert ein 2008 errichtetes Mahnmal am Largo de São Domingos an diese Geschichte. Mit der Inschrift “Lissabon, Stadt der Toleranz” in 34 Sprachen dient es als Eingeständnis vergangener Intoleranz und als Versprechen für eine andere Zukunft. Die Platzierung des Mahnmals direkt vor der Kirche stellt sicher, dass kein Besucher dieses wesentliche Kapitel der Baugeschichte ignorieren kann.
Heutige Besucher werden sofort bemerken, dass der Largo de São Domingos der zentrale Treffpunkt für Lissabons afrikanische Gemeinschaft ist, insbesondere für Einwanderer aus den ehemaligen portugiesischen Kolonien. Die Igreja São Domingos pflegt seit jeher eine starke Verbindung zu Afrika, da der Priester traditionell oft selbst aus Afrika stammte und neue Einwanderer bei ihrer Ankunft in Portugal unterstützen konnte.
Dies mag wie eine moderne, postkoloniale Entwicklung erscheinen, doch historische Belege offenbaren eine viel tiefere Verwurzelung.
Bereits 1551 beherbergte São Domingos die Bruderschaft Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz, die sich aufteilte, um einen eigenen Zweig speziell für “schwarze Freigelassene und Sklaven Lissabons” zu gründen. Diese Bruderschaft setzte sich für die Emanzipation versklavter Mitglieder ein und machte die Kirche so zu einem Zentrum des afrikanischen Widerstands und der Gemeinschaftsbildung während der Hochphase des Sklavenhandels. Die Verbindung zwischen São Domingos und der afrikanischen Bevölkerung Lissabons ist daher nicht erst Jahrzehnte, sondern Jahrhunderte alt.
Darin liegt das tiefe Paradoxon von São Domingos: Dasselbe Gebäude, das als Bühne für die Urteilssprüche der Inquisition diente, fungierte gleichzeitig als Basis für afrikanische Befreiungsbewegungen. Die heutige lebendige afrikanische Präsenz auf dem Platz ist kein Bruch mit der Geschichte, sondern deren Fortführung. Sie verwandelt einen Ort einstiger Unterdrückung in einen Raum der Gemeinschaft und des kulturellen Austauschs.
Statue von Fátima und den Hirtenkindern in der Kirche São Domingos
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